Seitenspiel und Intonation

Jon Laukvik zum aktuellen Stand der Königin-Katharina-Orgel

Bereits vor fünf Jahren, 2018, haben die Planungen für einen Orgelneubau in der Evangelischen Schlosskirche im Alten Stuttgarter Schloss begonnen: die Königin-Katharina-Orgel. Das Projekt wird von einer vierköpfigen Orgelkommission begleitet, der Sie von Anfang an angehören. Was sind Ihre Aufgaben dort? 

Bei der Planung und beim Bau der großen Mühleisen-Orgel in der Stiftskirche durfte ich seinerzeit dabei sein – eine große Ehre! Bei der Königin-Katharina-Orgel darf ich jetzt wieder mitarbeiten, was mich sehr freut. Ich bin kein Experte für die zahlreichen (vor allem technischen) Details im Orgelbau – dafür haben wir unseren Sachverständigen Thomas Haller. Ich habe aber durch meine langjährige Tätigkeit als konzertierender Organist und als Pädagoge viel Erfahrung mit Orgeln unterschiedlichster Stilistik und Bauweise sammeln können. Diese Erfahrungen kann ich in den Prozess einbringen. Hinzu kommt, dass ich einen sehr guten und erfahrenen Intonateur für die Intonation der Königin-Katharina-Orgel gewinnen konnte. Er hat zum Beispiel die Riesen-Orgel im Stephansdom in Wien intoniert. Der Intonateur entscheidet durch seine Arbeit, wie jede Pfeife in einer Orgel klingen soll, einzeln und im Zusammenklang mit den anderen Pfeifen. Das ist der letzte Schliff an einer Orgel und eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.

In der Zwischenzeit ist viel passiert. Ein paar wichtige Stationen möchte ich gerne herausgreifen. Seit 2019 steht fest, dass die neue Orgel nicht am selben Platz stehen soll wie die jetzige, sondern auf der gegenüberliegenden Nordwest-Empore. Was spricht für den neuen Standort? 

Man möchte, dass die Orgel an der Stelle stehen soll, wo die Walcker-Orgel von 1865 gestanden hat, eben auf der Nordwest-Empore. Zudem ist dort etwas mehr Platz als auf der Empore, wo die heutige Berner-Orgel steht.

Vier Orgelbaufirmen haben sich mit ihren Entwürfen für den Bau Königin-Katharina-Orgel beworben, und mittlerweile weiß man, wer die Orgel bauen wird: die Firma Rieger Orgelbau aus Österreich. Was waren die Kriterien bei der Ausschreibung? 

Den vier Orgelbaufirmen wurde ein Vorschlag zur Disposition der Orgel – also wie viele und welche Register auf drei Manualen und Pedal gewünscht sind – vorgelegt. Zudem wurden gewisse Wünsche an den Orgelprospekt mitgeteilt – also das, was man vom Kirchenraum aus von der Orgel sieht. Die neue Orgel soll keine Kopie der Walcker-Orgel werden, wohl aber sollen gewisse Aspekte der Instrumente des großen Ludwigsburger Orgelbauers integriert werden, sowohl optisch als klanglich.

War es schwierig, eine Entscheidung zu treffen?

Ja, alle vier beteiligten Firmen haben sehr gute Angebote vorgelegt und diese seinerzeit bei einer Sitzung in der Sakristei der Schlosskirche spannend und vielschichtig erläutert.

Was hat letztlich den Ausschlag für Rieger gegeben? Was macht diesen Entwurf aus?

Rieger hat, anders als die drei anderen Firmen, ein sogenanntes seitenspieliges Instrument vorgeschlagen. Das heißt, die Organistin/der Organist sitzt nicht, wie üblich, am Spieltisch vor der Orgel, sondern an ihrer Seite. Das Hörerlebnis für den Spieler wird dadurch zwar weniger direkt, als wenn man vor der Orgel sitzt, dafür kann die Orgel näher an die Brüstung gerückt werden, was eine bessere Optik im Kirchenraum ergibt. Und man gewinnt mehr Platz in der Tiefe für Mechanik und Pfeifen der Orgel. Hinzu kommt, dass Rieger beinahe alle Teile einer Orgel selbst herstellt, bis hin zu den elektronischen Teilen. Das ist in unserer Zeit schwieriger Einzelteile-Besorgung ein wichtiger Aspekt.

Woran wird gerade gearbeitet und wie geht es weiter?

 Rieger überarbeitet noch ein paar Aspekte des Angebots. Dazu kommen die für den Einbau der Orgel nötigen Umbauarbeiten in der Schlosskirche. Außerdem hat Rieger noch andere Orgeln in der „Warteschlange“ vor der unsrigen.

Ist das Projekt im Zeitplan – oder besser: Wann wird die Katharina voraussichtlich fertig sein?

Eine Kirchenorgel ist ein „sakrales Kunstwerk“ und kein Gerät, das man beim Händler mit festem Liefertermin bestellt. Die Entstehung eines Kunstwerks braucht Zeit. Daher ist es nie möglich, den Fertigstellungstermin einer Orgel genau festzulegen. Dies liegt nicht immer am Orgelbauer, der vielfältige Aufgaben gleichzeitig lösen muss, sondern eben auch an den Baumaßnahmen, die im Kirchenraum durchgeführt werden müssen. So auch in der Schlosskirche.